Da hat mich doch kürzlich jemand gefragt, ob ich denn mit meinem österreichischem Dialekt hier im schwäbischen Tübingen auch wählen dürfe. Da mein deutscher Personalausweis alleine offenbar nicht genügt, um im Schwabenland als Bewohner akzeptiert zu werden, hat mir eine waschechte Schwäbin eine Anleitung "Wie man Schwabe wird" zukommen lassen, die ich leicht verändert und ergänzt hier wiedergebe. Hoffentlich zum Nutzen aller, die mein Schicksal teilen und als "Gastarbeiter" ins "Ländle" gekommen sind. Wer sich umfassend mit dem Thema "Schwaben" beschäftigen will, dem empfehle ich das Studium von "Schwabissimo".
Sie wollen Schwabe werden?
Folgende Punkte erleichtern die Integration
Versuchen Sie unbedingt, die schwäbische Sprache zu verstehen.
Wenn Sie auf der Strasse einen gelernten Schwaben nach der Uhrzeit fragen und die Antwort
"Femfvordreifirdelneine" erhalten, dann sollten Sie wissen, dass 8:40 Uhr
gemeint ist.
Dabei hilft ungemein, wenn Sie die lokale Zeitung, "sBlättle", lesen. Sie
erfahren so ohne großes Nachfragen, was die Schwaben wirklich interessiert. Begriffe wie
"Hockete oder Hocketse" (gemütliches Zusammensitzen beim Straßenfest),
"Besen" (privat-öffentliche Weinstube), "Stückle" (ein Stück Acker,
das wie ein Garten bewirtschaftet wird), "Häusle" (Haus) und
"Daimler" (Mercedes) erfreuen die für Sie unzugängliche Seele der Schwaben am
meisten.
Achten Sie auf die kleinen Unterschiede in der Aussprache: "Ha no" ist eher zustimmend, "Ha noi" aber ablehnend! Auch wenn alles was lieb und teuer ist mit der Nachsilbe "-le" versehen wird, ein Schwabe wird trotzdem niemals zum "Schwäble"!
Erwarten Sie von einem Schwaben nie, dass er Hochdeutsch spricht,
denn er wird überzeugt sein, mit Ihnen bereits in bestem Hochdeutsch zu parlieren.
"Feschdgemauerd in där Ärdn, schdähd die Form aus Lähm gebrannd", ist also
die hochdeutsche Version von Schillers Glocke aus dem Munde einer schwäbischen Lehrerin.
Schiller selbst, ebenfalls ein Schwabe, hat sie wahrscheinlich auch so vorgetragen.
Eine Schwabe wird Ihnen ewig böse sein, wenn Sie sein Hochdeutsch bemäkeln, wird doch
sein latentes sprachliches Minderwertigkeitsgefühl angesprochen.
Bleiben Sie auch ernst, wenn im Eifer des Gefechtes schwäbischer Dialekt
'verhochdeutscht' wird, zum Beispiel: "Warum henken Sie den Riassel so
herunter?" oder "Gleich werd' ich narret!" oder "Täten Sie mir bitte
das Salz romgäben?"
Sprechen Sie nie selbst schwäbisch.
Beim Versuch schwäbisch zu schwätzen, erkennt sie ein Schwabe schon bei der ersten Silbe
als Nichtschwaben und reagiert sehr ungehalten. Wird er doch immer denken, Sie wollen sich
über ihn lustig machen.
Außerdem werden Sie nie fehlerfreies Schwäbisch hinbekommen, wenn Sie nicht hier
aufgewachsen sind. Worte wie "hälenga" (heimlich), "oagnähm"
(unangenehm) oder "Olaaga" (Parkanlagen) sind die typischen Stolperfallen.
Zudem "hagelt" der Nichtschwabe über latente Unlogik, wie "där
Buddr" (die Butter), "heb dees môl" (halt das bitte fest) oder
"henderschefirre denga" (verquere Gedanken).
Lernen Sie loben und tadeln wie ein Schwabe.
Da Schwaben mundfaul sind, ist auch das schwäbische Lob sehr effektiv. Wird nix "gschwäzzd" (geredet), ist alles in Ordnung. Dies spart Zeit und verursacht auch wenig Missverständnisse. Werden im Überschwang der Gefühle Komplimente gemacht, wie z.B. "ma koah's essa" (danke, es schmeckt ganz ausgezeichnet) oder Liebeserklärungen wie "mei Spatzle", "o du mei doggeliche Groat", dann sollte man diese nie wörtlich übersetzen, denn es wird für Sie keinen Sinn ergeben, sondern nur auf den Tonfall achten, der sagt viel mehr aus. Das Analoge gilt dann auch für Tadel und Flüche, deren Inhalte sie zwar am Anfang auch nicht verstehen, aber der Tonfall ist dafür umso deutlicher.
Nehmen Sie die Kehrwoche bitterernst.
Bei diesem schwäbischen Ritual samstäglichen Putzwahns werden Sie von allen Nachbarn am
Anfang argwöhnisch beäugt, wie Sie es mit dem Putzen halten. Lesen Sie die Hausordnung
intensiv durch und fragen am besten bei den Nachbarn nach, ob es irgendwelche
Besonderheiten gibt.
Sie wandeln auf einem sehr schmalen Grat! Putzen Sie zuviel, wird es heißen "Dia
wellad ons wohl zoiga, dass mir Dreggsäu send?", bleiben aber Flächen ungereinigt,
werden sich die Nachbarn zuraunen "Dia miassad's buddza au no lärna!".
Wichtig ist es vor allem, die Kehrwoche öffentlich durchzuführen, wischen Sie daher am
besten die Treppe zu Zeiten, wenn alle das Treppenhaus benützen. Stöhnen Sie dabei leise
vor sich hin, wirkungsvoll sind einige Wassertropfen als Schweißersatz auf der Stirne.
Knallen Sie den Schrubber lautstark in alle Ecken, damit jeder im Hause hört, dass hier
"anschdändig" gearbeitet wird.
Stauben Sie wöchentlich sämtliche Einmachgläser, die im Keller herumstehen, ab, die
leeren auch von innen! Ferner wird der Velourteppich nach dem Staubsaugen mit einer
speziellen Bürste von den Streifen befreit, die die Rädchen des Staubsaugers
hinterlassen haben.
Erwecken Sie immer einen beschäftigten und fleißigen Eindruck.
Wenn Sie wo hingehen wollen, dann gehen Sie "gschwend" dorthin und bummeln Sie
nicht. Unterwegs fragen Sie alle "Au scho onderwegs" und deuten so an, dass Sie
sich auf gleichem Niveau mit den anderen bewegen. Und natürlich haben Sie immer etwas in
der Hand und sei es nur eine "Gugg" (eine Einkaufstüte).
Statt zu arbeiten "schaffen" Sie, das sagt doch auch schon viel mehr darüber
aus, dass Sie auch etwas damit erreichen. Wochenende und Urlaub sind nicht zum Erholen da,
sondern zum Haus renovieren, Auto waschen oder zum gründlichen Putzen. So schwärmen Sie
nach einem dreiwöchigen Karibikurlaub nie von dessen Schönheiten, sondern Sie jammern,
dass es nachher soviel Wäsche zu waschen gab.
Beschäftigen Sie sich mit schwäbischem Essen.
Entdecken Sie alles, was typisch Schwäbisch gilt: "Bräzzlaa" (Brezeln),
"Laugawegga" (Laugenbrötchen), "Roschdbrôôda" (Zwiebelrostbraten),
"Lensa medd Soida ond Schbädzla" (Linsen mit Würstchen und Spätzle),
Gaisburger Marsch (Suppe mit Kartoffeln und Spätzle), "Saure Nierla" (Nierchen
in dunkler Sauce), Oirhabr (zerstückelter dicker Pfannkuchen, geröstet),
"Buabaschbidzzle" (Schupfnudeln) und "Kuddla" (Kutteln).
Sie müssen in der Lage sein, den schwäbischen Kartoffelsalat auf dem Teller mit dunkler
Bratensauce zu verrühren und das optisch unansehnliche (aber geschmacklich tolle) Gemisch
mit Genuss zu essen. Auch dürfen Sie Spätzle mit Kartoffelsalat und Schnitzeln mit Soße
(ein Horrorgedanke für jeden Österreicher) nicht um den Schlaf bringen oder ein
Zwiebelrostbraten auf Sauerkraut mit einer Maultasche.
Lernen Sie von Suppen satt zu werden! Der Schwabe liebt Suppen und könnte sich ohne
weiteres ausschließlich von Flädle-, Riebeles- oder Nudelsuppe ernähren.
Trinken Sie Württemberger Rotwein, auch wenn der ihnen am Anfang sehr trocken und (manchmal) dünnflüssig vorkommen sollte. Der Schwabe liebt es, für seinen Wein gelobt zu werden. Sollte Ihnen der Wein nicht zusagen, dann jammern Sie bei jeder Gelegenheit laut darüber, dass er ja so schwer zu bekommen sei.
Akzeptieren Sie die 'schwäbische Seele'.
Ein echter Schwabe wirkt immer sehr unfreundlich. Dieser raue Ton verbirgt aber nur tiefer
gehende Gedanken und die latente Zerrissenheit der schwäbischen Seele. "So isch nô
au wieder" sagt der Schwabe und meint damit die Tatsache, dass alles zwei Seiten hat.
Und weil nun der Schwabe alles von zwei Seiten betrachtet, dauert es einfach länger, bis
er zu einer Entscheidung kommt.
"Dia vom grossa Vaddrland dooba schwäddzad schnellr als miir dengad.": viel
vorschnelles Wortgetöse ist dem Schwaben ein Gräuel, er spart halt gerne, auch an
Worten. "Hobbla", ersetzt daher vollkommen den Satz "Oh, tut mir sehr leid.
Ich bitte vielmals um Entschuldigung für mein Versehen."
Legen Sie einen schwäbischen Garten an.
Vor dem Haus eine öde Rasenfläche, die laufend auf 3-Tagebart- Höhe gehalten wird,
umrahmt von einer noch öderen Ligusterhecke hinter einem dunkelbraun gestrichenen
Jägerzaun. Die Hecke wird einmal wöchentlich gestutzt. Einziger Schmuck ist ein
Gartenzwerg (Hochzeitsgeschenk vom Onkel) oder ein kitschiges Bambi (Hauptgewinn auf dem
Wasen, dem schwäbischen Oktoberfest).
Hinter dem Haus wird kein Blumenschnickschnack angepflanzt, sondern echte schwäbische
Nutzpflanzen: Breschdlinge (Erdbeeren), Gogommerle (Gurken), Grombiera (Kartoffeln) oder
Treibla (Johannisbeeren).
Alle verwertbaren Gartenerzeugnisse werden für schlechte Zeiten und/oder
kommende Generationen aufbewahrt, also alles Obst wird zu "Gsälz" (Marmelade)
oder Saft verarbeitet, das Gemüse eingeweckt (eigmacht) oder einlagert.
Sollte wirklich ein Krieg drohen, wird Ihre Familie zu den ersten Kriegstoten gehören, einzig und allein durch den Genuss der selbst eingemachten (und dann abgelaufenen) Konserven.
Lernen Sie Geiz und Sparsamkeit zu unterscheiden.
Der Schwabe sucht stets den materiellen Besitz, ohne davon aber zuviel Aufhebens zu
machen. Wenn Sie also gerade ein "Häusle" für 500.000 Euro hingestellt haben,
dann sollten Sie überall herumerzählen, dass Sie noch immer den Esstisch aus Ihrer
Studentenbude benutzen. (Ob Sie darauf im Keller Holz streichen, interessiert in diesem
Zusammenhang niemanden!)
Werfen Sie grundsätzlich nichts weg, was später noch einmal von Gebrauch sein kann (oder
auch nicht). Ein echter Schwabe würde z.B. nie String- Tangas kaufen, weil er weiß, dass
nur aus dem klassischen Feinripp-Modell nach 10jähriger Benutzung die besten Putzlumpen
entstehen.
Relativieren Sie Finanzielles wie ein Schwabe:
"Mir warrad a bissle am Meer" (Wir waren 4 Wochen mit einer gecharterten Yacht
in der Südsee),
"Dia Kärra brauchad emmr wenigr" (Ich habe mit gerade wieder eine neue Mercedes
S-Klasse bestellt),
"Hennd Sia au dees vom neia Margd g'läsa?" (Mein Aktienbesitz hat sich gerade
in Luft aufgelöst)
Trösten Sie sich, ein richtiger Schwabe werden Sie ohnehin nie.
Mindestens drei Generationen müssen hier im Lande geboren und gestorben sein, bevor man
sie zu den Schwaben zählt. Sie werden immer ein "Reigschmeggter" (Zugezogener)
bleiben. Beschleunigen aber können Sie den Prozess, indem sie Auswandern. Die vielen
Schwaben auf der ganzen Welt sind etwas großzügiger und akzeptieren Sie schneller als
einen der ihrigen, wenn Sie nur genügend Geld verdienen und immer auf Ihren ehemaligen
Wohnort im Schwabenländle hinweisen.
Trauen Sie den Erzählungen über die Schwaben nicht.
Die Zeit vom "Lied
der Schwaben" ist schon lange vorbei. Es gibt in allen Bereichen einen Wandel,
der auch die sonst so konservativen Schwaben verändert hat. Langer Wohlstand hat aus
allen Teilen der Welt Menschen ins Schwabenland gebracht und damit oft die Einheimischen
zur Minderheit gemacht und die Sitten und Gebräuche verändert.
So kann man heute auch im Freien, einsehbar von den Nachbarn, sein Bier trinken oder sein
"Vierdele schlotzen" (sein Glas Wein trinken), was vor 20 Jahren noch undenkbar
war. Man kann auch hier italienischen Kaffee trinken oder in einem der vielen
Sterne-Restaurants bestes Essen genießen.
"Wir können alles, außer
Hochdeutsch" zeigt vom neuen Selbstbewusstsein der Württemberger, wie sich die
Schwaben gerne selbst bezeichnen. Innovationen, Risikobereitschaft, gute Ausbildung und
selbstverständlich Fleiß haben auch in schwierigen Zeiten das "Musterländle"
vor einem großen Absturz bewahrt.
Wer hier gute Arbeit verrichtet wird auch akzeptiert und geschätzt, egal welchen Pass er
oder sie auch hat oder welchen Dialekt. So eng die Täler im Lande auch sein mögen,
Baden-Württemberg ist ein weltoffenes und liberales Bundesland, das auf jeden Fall einen
Besuch wert ist und auch das Wagnis lohnt, ganz hierher zu ziehen.
Wer sich für die Definition oder die Geschichte der Schwaben interessiert, möge im Lexikon nachsehen. Für mich gilt die einfache Formel von Thaddäus Troll "Schwabe ist, wer schwäbisch spricht.", zu der sich sicherlich auch die meisten Schwaben bekennen können. Es gibt Schwaben nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in Bayern (hier gibt es Allgäuer Rezepte dazu) und in vielen Teilen der Welt und selbstverständlich leben in Württemberg nicht nur Schwaben, sondern Menschen aller Rassen und Hautfarben. Alleine in meinem kleinen Tübingen sind über 100 Nationen vertreten!
Wer das Baden-Württemberg Spiel oder Quiz sucht, hier ist ein Link dazu.
www.euxus.de/schwaben-wuerttemberg.html